Vertrauen, eine innere Haltung

Es gibt Momente in Beziehungen, die sich immer wiederholen.
Der Partner lacht zu freundlich mit einer anderen Frau, er zwinkert, sein Blick bleibt einen Moment länger hängen. Und sofort entsteht im Inneren dieses Ziehen, Misstrauen, Eifersucht, das Gefühl: So kann ich ihm nicht vertrauen.

Das Herz zieht sich zusammen, ein Schatten legt sich über die Nähe. Und der erste Impuls ist fast immer derselbe: Er oder sie muss sich ändern. Wenn er nicht mehr so schauen würde. Wenn sie nicht mehr so offen lachen würde. Dann könnte ich vertrauen.

Doch die Wahrheit ist: Dieses Gefühl erzählt uns viel weniger über den Partner, als über uns selbst.

Vertrauen ist kein Vertrag

Viele Menschen versuchen, Vertrauen zu sichern, indem sie Bedingungen aufstellen: Wenn du dich so und so verhältst, dann vertraue ich dir.
Doch Vertrauen lässt sich nicht verhandeln, es ist kein Vertrag, den man schriftlich festhält.

Der andere Mensch darf nach seinen eigenen Werten leben, er darf freundlich sein, charmant, lebendig. Er darf sich zeigen, wie er ist. Wir können uns wünschen, dass er uns damit Sicherheit schenkt, aber wir können es nicht erzwingen. Vertrauen wächst nicht durch Kontrolle, sondern durch innere Klarheit.

Der wahre Schlüssel liegt bei dir

Der entscheidende Punkt ist der Moment, in dem wir spüren: Da ist wieder dieses Misstrauen. Da möchte ich mich zurückziehen. Da will ich dem anderen sagen, wie er zu sein hat.

Genau dann sind wir eingeladen, nicht im Außen anzusetzen, sondern bei uns.

Nicht: „Du darfst nicht zwinkern.“
Sondern: „Ich merke gerade, dass mich das unsicher macht, dass da Misstrauen in mir hochkommt, dass ich Angst habe, mich zu öffnen.“

So bleiben wir bei uns, wir übernehmen Verantwortung für unsere Gefühle, statt den anderen zu einer Marionette unserer Ängste machen zu wollen. Und genau in diesem Schritt liegt die Möglichkeit zu echter Nähe, denn Echtheit verbindet, Forderungen trennen.

Stell dir folgende Szene vor:
Du sitzt mit deinem Partner im Café. Er lächelt kurz einer Frau am Nebentisch zu. In dir macht es sofort „klick“, da ist sie wieder, die Stimme: Aha! Er ist nicht vertrauenswürdig. Schon wieder schaut er eine andere an.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, zu reagieren:

Variante 1 – Der Vorwurf
„Musst du dieser Frau jetzt unbedingt so zulächeln? Das ist respektlos! Mit dir kann man einfach nicht vertrauen haben.“

Das Resultat: Der andere geht in die Verteidigung, es kommt zu Distanz oder Streit.

✔️ Variante 2 – Die Selbstoffenbarung
„Als ich gerade gesehen habe, wie du gelächelt hast, habe ich gemerkt, dass sofort Misstrauen in mir hochkommt. Das macht mich unsicher. Ich merke, dass es mir schwerfällt, dir dann offen zu begegnen.“

Das Resultat: Der andere erfährt, was in dir geschieht, ohne dass er sich angegriffen fühlt. Er hat die Freiheit, darauf einzugehen oder nicht. Aber er bleibt Mensch, kein Objekt deiner Forderung, und du bleibst in deiner Verantwortung.

💡 Das Entscheidende:
Du benennst dein inneres Erleben, statt die Handlung des anderen zu bewerten. Dadurch öffnest du einen Raum für Nähe und Verständnis, und bleibst zugleich integer, weil du dich selbst ehrlich zeigst.

Vertrauen ins Leben

Menschen werden uns immer wieder herausfordern. Perfektion werden wir im Gegenüber nicht finden. Und genau hier liegt die eigentliche Chance: Vertrauen heißt, dem Leben selbst zu vertrauen.

Es bedeutet, im Inneren einen Boden zu finden, auf dem wir stehen, auch wenn draußen der Wind weht. Es heißt, dem Fluss des Lebens nicht misstrauisch entgegenzuhalten, sondern zu wissen: Alles, was geschieht, hat eine Bedeutung. Jede Erfahrung ist eine Einladung, zu wachsen, innerlich stärker und freier zu werden.

Und zugleich: Das Leben ist nicht immer leicht. Wir erleben Situationen, die kaum auszuhalten scheinen. Wir verlieren Menschen, wir werden enttäuscht, wir erleiden Schmerz. All das ist Teil des Daseins. Und trotzdem, oder gerade deshalb, können wir in eine tiefere Dimension eintauchen, die Hingabe an das, was größer ist als wir selbst.

Der Urgrund des Vertrauens

Vertrauen wird genährt, wenn wir an eine Quelle glauben, die größer ist als unser Verstand. Eine Essenz, die uns trägt, eine Wirklichkeit, die uns nicht verletzen kann.

„Nichts Wirkliches kann bedroht werden,
Nichts Unwirkliches existiert,
Darin liegt der Frieden Gottes.“

(Ein Kurs in Wundern)

Dieses Zitat erinnert uns daran: Was wir in der Tiefe sind, kann durch nichts in dieser Welt zerstört werden. Ja, wir sind verletzlich in unseren menschlichen Erfahrungen, aber in unserem innersten Sein bleiben wir unantastbar.

Wenn wir uns diesem Urgrund öffnen, wird Vertrauen nicht mehr nur zu einer Entscheidung im Alltag, sondern zu einer Haltung. Ich vertraue, weil ich mich getragen weiß. Nicht weil das Leben immer einfach ist, sondern weil ich spüre, dass es mich in seiner Tiefe niemals fallen lässt.

Integrität – der innere Kompass

Ein wesentlicher Teil dieses Weges ist die Integrität. Jeder Mensch ist eingeladen, für sich zu prüfen:

  • Welche Werte sind mir wirklich wichtig?
  • Was bedeuten diese Werte für mein Leben, für meine Beziehungen?
  • Lebe ich selbst nach ihnen, oder verlange ich eher vom anderen, dass er sie erfüllt?

Vertrauen in einer Beziehung kann nur dann wachsen, wenn beide Partner in der Tiefe wissen, was ihnen wichtig ist. Wer integer lebt, also mit seinen Worten, Handlungen und inneren Überzeugungen übereinstimmt, strahlt Verlässlichkeit aus, ohne dass er sich dafür verbiegen muss.

Und doch gilt: Ich kann nicht bestimmen, ob mein Partner nach meinen Werten lebt. Ich kann es mir wünschen, aber letztlich bleibt es die Wahl des anderen, wie er leben will. Vertrauen bedeutet, diese Wahl anzunehmen.

Vertrauen ist keine Blindheit

Vertrauen bedeutet nicht, alles hinzunehmen oder die Augen vor dem Offensichtlichen zu verschließen. Es heißt nicht, den anderen so lange zu entschuldigen, bis wir uns selbst verlieren.

Es gehört auch dazu, klar zu sehen, wenn ein Mensch dauerhaft auf eine Weise lebt, die mit unseren eigenen Werten nicht vereinbar ist. Dann braucht es Mut, die Konsequenzen zu tragen.

Wir können uns wünschen, dass der andere unsere Werte achtet, wir können darüber sprechen und einladen, doch wir können ihn nicht dazu zwingen. Wenn wir sehen, dass der andere nicht bereit ist, sein Verhalten zu verändern, wenn er nicht in einer Weise lebt, die mit uns stimmig ist, dann bleibt auch das eine Tatsache.

Und dann liegt es an uns, zu entscheiden: Kann ich mit diesem Fakt leben? Oder ist es stimmiger, die Beziehung loszulassen und meinen Weg anders weiterzugehen?

Vertrauen heißt deshalb nicht blindes Vertrauen, sondern ein Vertrauen, das auf innerer Klarheit beruht. Es bedeutet, dem Leben zuzutrauen, dass auch ein Abschied, so schmerzhaft er sein mag, Teil meines Wachstums sein kann. Vertrauen schenkt uns nicht nur die Kraft, uns hinzugeben, sondern auch die Kraft, notwendige Entscheidungen zu treffen und ihre Konsequenzen zu tragen.

💛 Impulse für dich

  • Wo vertraust du gerade mehr auf die Veränderung deines Partners als auf deine eigene innere Stärke?
  • Welche deiner Werte kennst du wirklich? Und lebst du nach ihnen?
  • Kannst du in Momenten von Misstrauen innehalten und dich fragen: Was passiert gerade in mir?
  • Wie würde es sich anfühlen, nicht am Verhalten des anderen zu ziehen, sondern dich selbst zu stärken, um innerlich frei zu bleiben?
  • Was bedeutet es für dich, dem Leben selbst zu vertrauen, auch dann, wenn es schwer ist?
  • Bist du bereit, notfalls auch Konsequenzen zu ziehen, wenn die Werte zu weit auseinanderliegen?

Wie ist es Dir mit den Impulsen ergangen?

Ich freue mich auf Deine Rückmeldungen.

Herzlich, Gabriele

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